Aktuelles,  Menschenrechts-Ausschuss

Absurder Zickzack-Kurs der Bundesregierung

Die Bundesregierung kündigte am 22. Januar 2019 an, die deutsche Beteiligung an der EU-Militärmission EUNAVFOR MED vorerst einzustellen. Nachfolgend unsere Analyse und Bewertung dazu:

Die EU-Militärmission EUNAVFOR MED, deren Hauptziel die Bekämpfung von Schleppern und Schleusern sein soll, ist seit Juni 2015 im Mittelmeerraum zwischen Italien und Libyen im Einsatz. Wir als LINKE fordern schon lange, Militärmissionen wie EUNAVFOR MED auf dem Mittelmeer zu beenden. Was wir stattdessen dringend brauchen, ist die Einsetzung einer staatlich organisierten, zivilen Seenotrettung deren Hauptziel es ist, Menschen aus Seenot zu retten und sie sicher in einen europäischen Hafen zu bringen. 

EUNAVFOR MED hatte nie als Hauptziel, Menschen aus Seenot zu retten. Stattdessen wurde die Militärmission eingesetzt, um die EU-Außengrenzen zu überwachen und die Festung Europa nach außen abzuriegeln. Das selbst gesetzte Ziel der Schlepper- und Schleuserbekämpfung war ein kompletter Misserfolg: Die Operation hat in den letzten drei Jahren 151 der Schleuserei Verdächtigte festgesetzt und den italienischen Behörden übergeben. Bisher wurde jedoch keine einzige dieser Personen rechtkräftig als Schleuser verurteilt. Stattdessen hat die deutsche Bundesregierung tatkräftig daran mitgewirkt, im Rahmen von EUNAVFOR MED die Ausbildung der sog. libyschen Küstenwache voranzutreiben. Das sind sich bekriegende Milizengruppen, die die EU und die Bundesregierung als Türsteher Europas benutzt. Sie bringen Menschen in libysche Folterlager zurück, die Sie teils selbst verwalten. Alleine in 2018 wurden 13.000 Geflüchtete in diese Folterlager zurückgebracht. Das völkerrechtliche Gebot der „Nicht-Zurückweisung“ wird von EU und Bundesregierung, sowie von deren ausführendem Organ, der sog. libyschen Küstenwache, gänzlich missachtet. Momentan sind 35.000 Menschen Foltern, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Sklavenarbeit in diesen Lagern hilflos ausgeliefert. 

Die Ankündigung der Bundesregierung, die deutsche Beteiligung an EUNAVFOR MED vorerst einzustellen ist dennoch an Zynismus nicht zu überbieten: Erst letzte Woche in der Plenardebatte des Bundestags, als unser Antrag „Zivile Seenotrettung im Mittelmeer sicherstellen – Unterstützung der libyschen Milizen beenden“ debattiert wurde, hochlobte Nikolas Löbel von der CDU/CSU-Fraktion die deutsche Beteiligung am Militäreinsatz: „(…)die Operation (…) ist ein gutes Beispiel für gemeinsames Handeln der Europäischen Union“. Gerne haben sich die Unionspolitiker*innen in den vergangenen Monaten auch damit gebrüstet, dass durch EUNAVFOR MED zahlreiche in Seenot geratene Menschen gerettet wurden. Dazu Herr Löbel vergangenen Donnerstag: „(…) Die Todesfälle auf der gesamten Mittelmeerroute sanken (…) drastisch ab“. Fakt ist, dass die Rettungsaktivitäten von EUNAVFOR MED seit 2017 dramatisch zurückgegangen sind. Zwischen Dezember 2017 und November 2018 rettete die Militärmission 2.769 Menschen aus Seenot, während im Vorjahreszeitraum mit 12.830 fast fünfmal so viele Menschen gerettet wurden. Unerwähnt blieb, dass die zivilen Rettungsorganisationen in den vergangenen Jahren weit mehr als 100.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet haben.

Nur fünf Tage nach der Lobhudelei von EUNAVFOR MED im Plenum kündigt die Bundesregierung ihren Rückzug von der Militärmission an. Dazu gibt es aktuell von Seiten der Bundesregierung keine Stellungnahme. Einzige Begründung bisher: Italien lasse Schiffe mit Geretteten an Bord nicht in die Häfen einfahren. Dies verhindere die Arbeit von EUNAVFOR MED. Das zeigt: Die Bundesregierung lässt sich von italienischen Rechtspopulist*innen unter Druck setzen, gleichzeitig scheint die Rettung von Menschen in Seenot überhaupt kein Thema mehr zu sein. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten! 

Wir als LINKE sind gegen Militäroperationen auf dem Mittelmeer. Dennoch muss es oberstes Ziel sein, Geflüchtete in Seenot zu retten. Wenn die Bundesregierung jetzt den Abzug von EUNAVFOR MED ankündigt ohne eine staatlich organisierte, zivile Seenotrettung einzusetzen, wird das Massensterben im Mittelmeer nur wieder zunehmen. Alleine im Jahr 2018 sind knapp 2.300 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Dass die Rettung von Menschenleben in dieser Entscheidung keinen Platz findet, hat die Bundesregierung mehr als deutlich gemacht. Die LINKE fordert schon lange eine staatlich organisierte, zivile Seenotrettung, um das Massensterben im Mittelmeer endlich zu beenden. Auf lange Sicht brauchen wir sichere, europäische Häfen und legale und sichere Fluchtwege nach Europa.  

Hier noch meine Rede vom 14.6. zu EUNAVFOR MED im Bundestag: https://www.youtube.com/watch?v=UaX1prPungo