Aktuelles,  Menschenrechts-Ausschuss

Die Auslagerung von Menschenrechtsverstößen durch die EU

Laut IOM wurden dieses Jahr bereits 9.448 Menschen von der sogenannten libyschen „Küstenwache“ an der Flucht über das Mittelmeer gehindert und in das Bürgerkriegsland zurückverschleppt – mehr als im gesamten Jahr 2019. Diese Praxis wird häufig als „Push-Back by proxy“ bezeichnet, da es sich um im Auftrag der EU durchgeführte Rückführungen handelt. Das Prinzip ist so einfach wie skrupellos: Da es den europäischen Staaten völkerrechtlich untersagt ist Menschen in ein Kriegsland zurückzudrängen, wird stattdessen die libysche „Küstenwache“ ausgebaut und ausgebildet, deren Rettungszone ausgeweitet und Geld dafür bereitgestellt, dass sie Menschen auf See abfängt. Diese Menschen werden dann, das ist allen politischen Verantwortlichen völlig bewusst, in der Regel in eines der aktuell 11 staatlichen oder in ein inoffizielles Internierungslager gebracht.

In diesen Lagern waren im August, das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von mir hervor, rund 2.200 Menschen interniert. Tausende weitere leben auf der Straße, werden in inoffiziellen Lagern festgehalten oder zwecks „Abschiebung“ in der Sahara an der Grenze zu Tschad, Sudan oder Niger ausgesetzt. In den libyschen „Detention Centers“ ist die Situation laut den Worten der Bundesregierung „inakzeptabel“. Es kommt zu „teils schweren Menschenrechtsverletzungen“. Welche das sind, verschweigt die Bundesregierung lieber – dennoch sind sie seit Jahren allgemein bekannt: Organisierter Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung, Vergewaltigung, systematische sexualisierte Gewalt, Folter, Mord. Erst im Mai wurden in einem Lager mehr als 30 Menschen massakriert, nachdem sie sich gegen Menschenhandel zur Wehr gesetzt hatten.

Wohl zur Beruhigung des eigenen Gewissens verweist die Bundesregierung darauf, dass das UNHCR einige der Lager 2020 etwa monatlich besucht habe. Dass die Beamt*innen jedoch unter strenger Aufsicht nur in bestimmten Teilen der Detention Center herumgeführt werden, nicht mit Menschen sprechen dürfen, sich vorher anmelden müssen und trotzdem regelmäßig Zeug*innen von Verbrechen werden, verschweigt die Bundesregierung.

Wie können die Zustände in den Lagern als „inakzeptabel“ bezeichnet und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit den libyschen Milizen aka. „Küstenwache“ gelobt werden? Das geht nur in der absolut inhumanen Logik der Migrationsbekämpfung! Jedes einzelne Lager in Libyen ist eine Schande für Europa, ein wirklich scheußliches Verbrechen. Alle Menschen gehören sofort und auf der Stelle nach Europa evakuiert, die Kooperation mit den libyschen Milizen beendet und die Rolle der EU in das tausendfache Leid und Sterben rechtlich aufgearbeitet.

Zur vollständigen kleinen Anfrage: