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Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu „Verantwortung deutscher Unternehmen – Wirtschaft und Menschenrechte“

Im Folgenden finden Sie eine kurze Zusammenfassung und Analyse der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage zu „Verantwortung deutscher Unternehmen – Wirtschaft und Menschenrechte“, aufgeteilt in die drei Schwerpunkte der kleinen Anfrage: Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, verbindliche Regulierung von Unternehmen und UN-Abkommen für Transnationale Konzerne und Menschenrechte „Binding Treaty“.

Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte

Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung (NAP) ist unwirksam und wird nicht dabei helfen, Menschenrechtsverstöße durch deutsche Konzerne zu bekämpfen.

Die Antwort der Bundesregierung zu Fragen des NAP, der nur unverbindliche Verabredungen mit der Wirtschaft vorsieht, machen deutlich: Eine gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist der Bundesregierung wichtiger als die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette. Eine echte Kontrolle der Unternehmen auf sorgfältige Einhaltung des Menschenrechtsprinzips ist nicht vorgesehen. Die Bundesregierung „wirbt“ lediglich bei Unternehmen für das NAP-Monitoring und hat Spitzenverbände „gebeten“ bei ihren Mitgliedsunternehmen für eine Teilnahme daran zu „werben“. Auch ein Schreiben von Bundesaußenminister Maas und weiteren Ministern an 7.000 Unternehmen äußert lediglich die Erwartung, dass Unternehmen Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten verhindern und an dem Monitoring Prozess teilnehmen.

Schon die Auswahl und das Vorgehen des Gremiums, das von der Bundesregierung mit der Durchführung des NAP-Monitorings, also seiner Überprüfung beauftragt ist, zeigt den niedrigen Stellenwert der Menschenrechte. Geleitet wird es vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young, dass durch Korruptions- und Vertuschungsskandale auffällig geworden ist (siehe folgende Links für nur einige Skandale: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/affaere-mit-klienten-wirtschaftspruefer-ey-muss-strafe-zahlen-a-1113110.html ; http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/schlecker-prozess-verfahren-gegen-ernst-young-eingestellt-a-1148939.html ; https://www.n-tv.de/wirtschaft/kurznachrichten/Auch-Ernst-Young-muss-im-Toshiba-Skandal-zahlen-article16630966.html ; http://fortune.com/2018/12/03/ernst-young-chairman-ceo-mark-weinberger-step-down-july/ ; https://www.finance-magazin.de/banking-berater/wirtschaftspruefer/welche-verantwortung-traegt-ey-beim-abb-betrug-1400601/ ; http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ernst-young-wirtschaftspruefern-droht-klage-wegen-lehman-pleite-a-735711.html).

Das Konsortium um Ernst & Young soll für die Überprüfung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten verantwortlich sein und allein über die Namen der kontrollierten und befragten Unternehmen verfügen. Die AG Wirtschaft und Menschenrechte mit Vertreter*innen der Bundesministerien und der Zivilgesellschaft soll keine Einsicht in diese Liste haben. Damit öffnet die Bundesregierung die Tür für Manipulationen und macht Menschenrechte zur Geheimsache.

Unternehmen dürfen nach den Plänen der Bundesregierung sogar eine Teilnahme an der stichprobenartigen Prüfung abschlagen, ohne in die Statistik einbezogen zu werden. Die Angaben derjenigen Unternehmen, die an der Befragung teilnehmen, beruht ausschließlich auf einer Selbstauskunft, die kaum überprüft wird. Zudem ist eine Nichtumsetzung des NAPs für Unternehmen gestattet, solange sie dies erklären können („Comply or Explain“ Mechanismus).

Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zudem: „Der NAP sieht keine unternehmensspezifischen Sanktionen bei Nichterfüllung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht vor“ (Antwort auf Frage 10). Es wird lediglich darauf verwiesen, dass der Koalitionsvertrag bei unzureichender Umsetzung des NAPs 2020 zusagt, dass die Große Koalition „national gesetzlich tätig“ werde.

Auch bei der Sicherstellung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der öffentlichen Beschaffung geht die Bundesregierung über Ankündigungen nicht hinaus: Der Nationale Aktionsplan kündigte hierzu zwar einen Stufenplan an, der jedoch nach Aussage der Bundesregierung noch nicht erarbeitet wurde. Die Bundesregierung hatte im November 2018 beim „Forum für Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen jedoch angekündigt im Bereich der öffentlichen Beschaffung eine internationale Vorreiterrolle anzunehmen. 

Nationalgesetzliche Regeln für Unternehmen

Auf Nachfragen zu weiterführender gesetzlicher Regelungen zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen, verwies die Bundesregierung auf die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs zur Neuregelung des Sanktionsrechts für Unternehmen, wie im Koalitionsvertrag beschlossen. Gesetzliche Regelungen zur Sanktionierung von Unternehmen, die über das deutsche Ordnungswidrigkeiten-Gesetz hinausgehen, sind zu begrüßen. Es blieb in der Antwort der Bundesregierung jedoch offen, ob dieser Gesetzesentwurf strafrechtliche Elemente enthalten wird. Da die Bundesregierung jedoch an die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde gebunden ist, müsste der Gesetzesentwurf zwingend wirksame Strafen für Unternehmen enthalten.

Zu der Einführung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten anhand eines deutschen Gesetzes nach dem Vorbild des französischen „Loi de Vigilance“ möchte sich die Bundesregierung nicht äußern.

UN-Abkommen für Transnationale Konzerne und Menschenrechte „Binding Treaty“

Sehr einsilbig ist die Bundesregierung in Bezug auf das seit 2014 in Genf verhandelte UN-Abkommen für Transnationale Konzerne und Menschenrechte – den sogenannten „Binding Treaty“ zu sprechen. Das Abkommen sieht verbindliche Sanktionen und Klagemöglichkeiten bei Menschenrechtsverstößen durch Unternehmen vor. Sofern die Bundesregierung überhaupt auf die Fragen zum „Binding Treaty“ antwortete, verwies sie meist auf Positionen der EU, obwohl diese kein Mandat zur Verhandlung des UN-Abkommens hat. 

Während der letzten Verhandlungsrunde im Oktober 2018, wurde der erste Vertragsentwurf diskutiert. Die Bundesregierung steht dem Prozess jedoch kritisch gegenüber, schickte lediglich Beobachter*innen von geringem Dienstgrad zu den Verhandlungen und versucht die Verhandlungen immer wieder zu blockieren. Die Bundesregierung äußerte lediglich, dass sie den unverbindlichen Nationalen Aktionsplan dem UN-Abkommen vorzieht.

Immerhin erklärte die Bundesregierung in Bezug auf die Bedeutung der Menschenechte bei Freihandelsabkommen dass, Menschenrechte als wesentliche Elemente in politischen Abkommen zu verankern sind. Somit könnten laut Aussage der Bundesregierung Handelsabkommen bei Verletzungen von Menschenrechten ganz oder teilweise widerrufen oder aufgekündigt werden. Doch die bisherige Praxis in Freihandelsabkommen zeigt, dass Menschenrechte Wirtschaftsinteressen untergeordnet werden. Menschenrechtsklauseln in Freihandelsverträgen sind zahnlose Tiger, solange die Bundesregierung nicht konsequent Verstöße gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflicht bekämpft. Darum wäre es wichtig, dass sich die Bundesregierung für eine Überordnung der Menschenrechte über den Freihandel im Binding Treaty einsetzt.

 

Link zur kleinen Anfrage:

19-5730_kA Unternehmensverantwortung_MichelBrandt