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Kleine Anfrage „Hohe Todesraten bei Flüchtenden auf dem Mittelmeer“, Drs. 19/6731

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Hohe Todesraten bei Flüchtenden auf dem Mittelmeer“, Drs. 19/6731

Statement:
Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Hohe Todesraten bei Flüchtenden auf dem Mittelmeer“ der Linksfraktion erklärt Michel Brandt, Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:
„Das grausame Schweigen der Bundesregierung zur Mittelmeer-Tragödie hat System. Die Bundesregierung trägt nicht dazu bei, das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden. Sie nimmt bewusst in Kauf, dass die Todesrate bei der Flucht über das Mittelmeer weiter ansteigt, indem sie es ablehnt, selbst aktiv zu werden. Im Bundeshaushalt 2019 sind keinerlei Mittel zur Beendigung der Tragödie auf dem Mittelmeer vorgesehen. An einer schnellen Lösung, gerettete Menschen in einen sicheren Hafen zu bringen, ist die Bundesregierung nicht interessiert.“

Auswertung:
Die Bundesregierung hat bisher keine eigenständigen Maßnahmen ergriffen, um das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden. Sie hat sich lediglich an den seit Jahren ergebnislosen Diskussionen um die Verteilung von geretteten Menschen beteiligt. So sehr die Rettungen durch Einheiten der militärischen Einheiten der Mittelmeermission EUNAVFOR MED zu begrüßen sind, findet nach wie vor keine systematische Seenotrettung statt. Das Massensterben auf dem Mittelmeer geht dennoch weiter.
Die Rettungsaktivitäten von EUNAVFOR MED sind seit 2017 dramatisch zurückgegangen. Zwischen Dezember 2017 und November 2018 wurde durch Beteiligte der Militärmission nur noch 2.769 Menschen aus Seenot gerettet, während im Vorjahreszeitraum mit 12.830 fast fünfmal so viele Menschen geborgen wurden. Seit Dezember 2018 finden aufgrund von Streitigkeiten mit Italien bezüglich der Aufnahme der Geretteten gar keine Rettungen mehr statt. Gegenüber 2017 nahm die Anzahl der Mittelmehrgeflüchteten 2018 zwar ab (2017: 172.363, 2018: 116.273), doch das Risiko, auf der Flucht zu ertrinken stieg. Insgesamt stieg die Todesrate von 1,8% auf 2,0%, auf der besonders gefährlichen zentralen Mittelmeerroute von Libyen nach Europa stieg die Tordesrate von 2,3% auf 5,4%. Die Militäroperation SEAGUARDIAN war an gar keinen Rettungen beteiligt.
Die Bundesregierung lehnt eigene Aktivitäten zur Beendigung des Massensterbens auf dem Mittelmeer ab und verweist auf die Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedsstaaten. Anstatt sicherzustellen, das Mittelmeer-Geflüchtete einen sicheren Hafen erreichen können, unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich den Ausbau der sogenannten libyschen Küstenwache. Diese zwingt gerettete Geflüchtete zurück in libysche Folterlager, aus denen zahlreiche Menschen zuvor fliehen mussten. Der Bundesregierung sind die menschenunwürdigen Bedingungen in den Lagern bekannt. Eine Befähigung von libyschen Milizen zur Seenotrettung leistet deshalb keinen Beitrag zur Vermeidung der gefährlichen Flucht. Die Bundesregierung ist seit Jahren nicht in der Lage, die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in Libyen durchzusetzen, bildet aber libysche Kräfte aus, die teils für die grausamen Zustände in den Lagern verantwortlich sind.
Statt dazu beizutragen, dass gerettete Menschen schnell einen sicheren europäischen Hafen erreichen, führt sie nach jedem einzelnen Unglücksfall teils wochenlange Verhandlungen mit den EU-Staaten, in denen die Schutzsuchenden an Lang gebracht werden könnten. Die Folge: die Menschen müssen teils Wochen auf Rettungsschiffen ausharren. Die Angebote zahlreicher Städte in Deutschland, Mittelmeer-Gerettete aufzunehmen, werden von der Bundesregierung kaum oder nur spät angenommen.

 

Link zur von der Bundesregierung beantworteten kleinen Anfrage Drs.19/6731

19-6731 KA Hohe Todesraten_ANTWORT