Aktuelles

Stand der zivilen Seenotrettung auf dem Mittelmeer

Über die vergangenen Monate wurde das staatliche Vorgehen gegen die zivile Seenotrettung zunehmend repressiver. Mit offensichtlich vorgeschobenen Sicherheitsbedenken wird den NGOs die Arbeit erschwert, Seenotleitstellen verweigern die Kommunikation, nach fast jeder Rettung kommt es zu längeren Stand-Offs. Auch kommerzielle Schiffe, die Rettungen durchführen, werden von Italien und Malta massiv unter Druck gesetzt – während die EU-Institutionen keinen Finger für sie rühren. Das Beispiel des Öltankers Maersk Etienne, welcher fast 40 Tage lang mit 27 Geretteten an Bord vor Malta auf die Zuweisung eines Hafens wartete, ist nur das drastischste von vielen.
Mit der Sea-Watch 4 und der Louise Michel sind im August aber auch zwei neue Rettungsschiffe in das zentrale Mittelmeer aufgebrochen. Wie also steht es aktuell um die zivile Flotte der Seenotretter*innen? Im Folgenden eine Übersicht:
Festgesetzt:
Die Sea-Watch 3 und die Ocean Viking (SOS MEDITERRANEE) werden seit rund zwei Monaten in Porto Empedocle in Italien festgehalten. Die Sea-Watch 3 darf nun zwar in die Werft nach Buriana, bleibt aber trotzdem blockiert. Als Grund werden fadenscheinige Sicherheitsbedenken und unhaltbare Vorwürfe angeführt. Die Aita Mari (Salvamento Maritimo Humaniario) wurde wie auch die Alan Kurdi im April von den italienischen Behörden unter dem Vorwand technischer Mängel an einem weiteren Einsatz gehindert und ankert seitdem in Pasajes, Spanien. Dort werden die geforderten Umbaumaßnahmen vorgenommen.
Im Einsatz:
Die Alan Kurdi (Sea-Eye) ist nach vier Monaten Zwangspause wieder zurück im Einsatzgebiet. Die italienischen Behörden hatten sie nach der Rettung von 150 Menschen während der Corona-Krise Anfang Mai in Palermo festgesetzt. Schon unmittelbar nach der Festsetzung bestätigte die zuständige Flaggenstaatsbehörde Deutschlands, dass das Rettungsschiff entsprechend ihrer Schiffsklasse korrekt ausgestattet und zertifiziert ist. Nach der viermonatigen Pause erteilte Spanien der Alan Kurdi die Genehmigung abzulegen.
Die Open Arms ist aktuell im Einsatz. Nach der Rettung von 278 Menschen wartete sie tagelang auf Zuweisung eines sicheren Hafens. Auch die Mare Jonio (Mediterranea Saving Humans) ist einsatzbereit. Am Wochenende hat sie die 25 vom Öltanker Etienne geretteten Menschen aufgenommen und im Hafen von Pozzallo sicher an Land gebracht. Die unter deutscher Flagge fahrende, von Banksy finanzierte Louise Michel hat gerade ihren ersten Einsatz hinter sich und ankert nun in Valencia. Im August hat die Sea-Watch 4 ihre ersten Rettungen durchgeführt und konnte am 2. September 353 Menschen sicher an Land bringen. Sie ist in einer kurzen Pause und wird, wenn sie darf, so bald wie möglich in das Einsatzgebiet zurückkehren.
Die deutsche Organisation Sea-Eye plant den Kauf eines neuen Schiffes. Die relativ junge Gruppe Sea Punks macht aktuell gemeinsam mit Mission Lifeline ein weiteres Schiff fit für die Seenotrettung.
Die zivile Seenotrettung hält trotz aller Repressionen und Verleumdungen die Stellung im Mittelmeer und füllt dort die Lücke, welche die EU bewusst und kalkuliert geschaffen hat. Ich fordere einen grundsätzlichen Richtungswechsel, welche zum Ende der Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache und zur Einrichtung staatlich finanzierter ziviler Seenotrettung führt.