Aktuelles,  Menschenrechts-Ausschuss

Strukturelle Kriminalisierung von Solidarität

Anfang dieser Woche hat sich unser Team mit dem Aktivisten Salam Aldeen, Gründer der dänischen NGO „Team Humanity“ im Bundestag getroffen. Seine 2015 gegründete NGO ist auf der griechischen Insel Lesbos aktiv und leistet dort wichtige Unterstützungsarbeit für die im Flüchtlingslager Moria festsitzenden Menschen. Seit einiger Zeit jedoch ist Salam massiver Kriminalisierung und Repression durch die griechischen Behörden ausgesetzt und wurde am 11. Dezember verhaftet. Der Vorwurf: Aldeen sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Salam erhob in unserem Gespräch massive Vorwürfe gegen die griechische Polizei und Frontex. Die Polizei, so Salam, genieße auf den griechischen Inseln absolute Handlungsautonomie, alle Teile der Lagerstruktur in Moria stünden unter ihrem Einfluss und in Absprache miteinander. Das betreffe vor allem die Mitarbeiter*innen des Krankenhauses sowie der Asylbehörde. Konkret benannte Salam Fälle, in denen Ärzt*innen offensichtlich Anweisungen der Polizei folgend ihre medizinische Verantwortung völlig missachteten – etwa um Abschiebungen zu ermöglichen. Die Situation habe sich außerdem seit dem Regierungswechsel in Griechenland spürbar verschärft. Dies stimmt mit den Informationen überein, die mir fast alle meine Gesprächspartner*innen, bei meinem Besuch auf Lesbos im September gegeben haben. 

Darüber hinaus schilderte Salam, belegt durch Fotos und Videos, unzählige Fälle von schwersten Misshandlungen geflüchteter Menschen durch Polizei- und Grenzbeamt*innen. Auch prangerte Salam eine hohe Zahl an Abschiebungen an, direkt von Lesbos aus und durchgeführt von maskierten griechischen Beamt*innen. Besonders schockierend sind zudem seine Berichte zur offensichtlich gängigen Praxis, Abschiebepapiere in griechischer Sprache ohne Übersetzung und unter Ausübung massiven psychischen Drucks unterschreiben zu lassen. Das alles passiert in Anwesenheit von Frontex-Mitarbeiter*innen – oder sogar mit deren Zutun. Auch das UNHCR stehe, so Salam, häufig hilf- und tatenlos daneben.

Der Fall Salam Aldeens ist im Kontext struktureller Kriminalisierung von Solidarität zu sehen. Ob Seenotretter*innen, progressive Politiker*innen, investigative Journalist*innen oder in Lagern engagierte Aktivist*innen wie Salam Aldeen – der Druck auf Verfechter*innen der Menschenrechte wird beständig erhöht. Was zu zählen scheint, ist die Abschreckung von Flüchtenden um jeden Preis. Diese Praxis muss ein Ende haben – Flucht ist kein Verbrechen, Seenotrettung ist kein Verbrechen, Solidarität ist kein Verbrechen.