Aktuelles,  Menschenrechts-Ausschuss

Bundespolizei setzt Elektroschocker ein und ignoriert Gesundheitsgefahren durch Pfefferspray

Die Aufrüstung der Polizei mit immer brutaleren Waffen, ist eine nicht hinnehmbare Entwicklung. Die Versammlungsfreiheit wird allein durch die waffenstrotzende Drohkulisse der Polizei zunehmend in Frage gestellt. Das ist mein Fazit aus der Antwort der Bundesregierung auf Unsere Kleine Anfrage “Einsatz von Pfefferspray und Elektroimpulsgeräten durch die Bundespolizei
aus menschenrechtlicher Sicht” (Bundestagsdrucksache 19/ 21995).

Die Bundespolizei hat sich darauf festgelegt, sogenannte Distanzelektroimpulsgeräte des Typs “Taser X2” anzuschaffen. Auch das geht aus der Antwort der Bundesregierung hervor. Obwohl gesundheitliche Risiken nach zahlreichen wissenschaftlichen Studien auf ernstzunehmende Gesundheitsgefahren hinweisen (die Bundesregierung zählt über 800 Veröffentlichungen auf), sollen die Elektroschocker jetzt bei den Bundespolizei-Inspektionen in Berlin, Kaiserslautern und Frankfurt am Main zum Einsatz kommen.

Die Bundespolizei schafft auch immer mehr Pfefferspray an. Wurden 2018 noch 15.500 Geräte zum Versprühen chemischer Reizstoffe angeschafft, waren es im laufenden Jahr bereits 25.000. Im Gegensatz zu Elektroschockern wird Pfefferspray bereits seit Jahren ohne jegliche gesundheitliche Bewertung als Mittel der körperlichen Gewalt eingesetzt. Besonders erschreckend ist, dass das Bundesinnenministerium (BMI) Pfefferspray als Alternative zum Einsatz von Schusswaffen sieht.

Wir hatten explizit auf die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Pfefferspray bei gewaltfreien Protestformen des zivilen Ungehorsams wie Sitzblockaden abgezielt. Egal: für das BMI schließt Pfefferspray “als Einsatzmittel die Lücke zwischen einfacher körperlicher Gewalt und dem Einsatz schärfer Zwangsmittel wie etwa der Schusswaffe”. Das ist ein erschreckender Denkansatz. Wer meint, die Versammlungsfreiheit mit der Dienstwaffe in der Hand regeln zu müssen, ist definitiv falsch bei der Polizei.

Obwohl immer wieder teils schwere gesundheitliche Schäden und sogar Todesfälle durch den Einsatz von Pfefferspray bekannt werden, weigert sich das BMI, eine fachliche gesundheitliche Bewertung von Pfefferspray vorzunehmen. Es wird ohne wissenschaftliche Grundlage als Mittel mit niedrigem Gefährdungspotential bewertet und eingesetzt, weil einfach zu handhaben ist. Die Gesundheit Demonstrierender spielt für die Bundespolizei keine Rolle.

Zudem experimentiert die Bundespolizei derzeit mit CS-Gas Kartuschen und dafür benötigten Werfern der Rüstungsfirma Heckler & Koch. Auch das Angebot von Rheinmetall für die Erprobung von “Handwurfkörpern” mit CS-Gas wurde gern angenommen. Fazit: Die Bundespolizei rüstet sich immer weiter gegen die Menschen im Land statt auf Deeskalation zu setzen. So kann das nicht weitergehen.

Bundesregierung billigt Export von chemischen Reizstoffen in Krisengebiete und an menschenrechtsfeindliche Regime

Deutsche Firmen machen zudem ein Bombengeschäft mit dem Export von Reizstoffen und deren Geräten zum Einsatz. Obwohl sie der Ausfuhrkontrolle unterliegen, wurden in den Jahren 2017 bis 2019 mehr als 1,5 Millionen Reizstoffsprühgeräte, mehr als 5 Tonnen reine Reizstoffe, wie Oleoresin Capsium (OC), und 44 Tonnen Reizstoff-Gemische exportiert. Sogar ganze Wasserwerfer-Fahrzeuge, die Reizstoffe versprühen können, wurden vertrieben. Unter den Hauptabnehmern befinden sich Konfliktgebiete wie Kongo und Ukraine sowie Regime, die nicht viel von Menschenrechten halten und brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgehen: Brasilien, die Russische Föderation, Katar, Türkei und die Vereinigten Arabische Emirate. Dem müssen wir endlich einen Riegel vorschieben. Der Export von Hilfsmitteln brutaler Polizeigewalt an menschenrechtsverachtende Regime muss ein Ende haben.

Dass es die Bundesregierung mit der Ausfuhrkontrolle nicht besonders ernst nimmt, zeigt der Fall des Zwergenstaates Andorra. Das kleine Land zwischen Frankreich und Spanien hat keine Armee und nur 240 Polizeikräfte. Dennoch importierte es 2017 knapp 30.000, 2018 über 36.000 und 2019 fast 70.000 “tragbare Ausbringungsausrüstung für handlungsunfähig machende oder reizende chemische Substanzen”. Wir fragen uns, an wen diese rund 135.000 Geräte weiterverkauft wurden. Das muss aufgeklärt werden.

Bundesdrucksache 19-21995 – Antwort auf meine kleine Anfrage

Artikel aus Süddeutschen Zeitung dazu