Menschenrechts-Ausschuss

Rede von Michel zur Notwendigkeit verbindlicher, sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards in der öffentlichen Beschaffung

Die Bundesregierung könnte Vorreiter sein, hat aber in den letzten Jahren mehrfach versäumt verbindliche Mindeststandards für die öffentliche Beschaffung einzuführen. Soziale, ökologische und menschenrechtskonforme Standards bleiben freiwillig. Genausowenig wie die Bundesregierung Konzerne verpflichtet menschenrechtliche Standards einzuhalten, tut sie es bei sich selbst und ihren Behörden.

Hier der Link zur Rede auf YouTube oder zum Lesen der Mitschrieb des Bundestages.

https://youtu.be/kfQlyLMZXVM

Mitschrieb des Bundestages:

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege

Michel Brandt. (Beifall bei der LINKEN)

Michel Brandt (DIE LINKE):

Herr  Präsident!  Meine  Damen  und  Herren!  Staaten  haben  nun  einmal  die  Pflicht,  die  Menschenrechte  umzusetzen.  Das  bedeutet,  dass  die  Bundesregierung  dafür sorgen muss, dass deutsche Konzerne Arbeitsrechte  auch entlang der Lieferkette wahren. Das bedeutet umso  mehr, dass, wenn die öffentliche Hand selbst Waren und  Dienstleistungen  einkauft,  sie  direkt  verpflichtet  ist,  die  Menschenrechte durchzusetzen und ihren Schutz auch zu  kontrollieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Und  obwohl  das  so  ist,  schafft  der  Bund  es  nicht,  dafür  zu  sorgen,  dass  flächendeckend  sozial  und  ökologisch  eingekauft  wird.  Seien  es  Arbeitnehmerinnen-  und  Ar- beitnehmerrechte in globalen Lieferketten, die von Konzernen mit Füßen getreten werden, sei es – wir haben es  gerade  schon  gehört  –  Kinderarbeit,  oder  seien  es  Unternehmen,  die  Umweltstandards  gezielt  ignorieren  und  damit die Lebensgrundlage unzähliger Menschen zerstören: All diese Verstöße gegen die Menschenrechte nimmt  der Bund bei seiner Beschaffung in Kauf. Dafür darf kein  Steuergeld mehr ausgegeben werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung scheint aber kein erhebliches Interesse daran zu haben, Menschenrechte in der Vergabe  ernsthaft  zu  berücksichtigen  und  durchzusetzen.  Auch

zuletzt  hat  sie  wieder  mehrfach  die  Gelegenheit  versäumt,  verbindliche  Mindeststandards  für  eine  nachhaltige öffentliche Beschaffung festzulegen: sowohl bei der  Vergaberechtsreform 2016 als auch beim Verabschieden  des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschen- rechte“, dem sogenannten NAP. Der NAP soll Unternehmen für ihre Lieferketten verantwortlich machen – allerdings freiwillig, und das ist der Fehler.

Sie  haben  für  diesen  Nationalen  Aktionsplan  sogar  viele  Plakate  in  deutschen  Städten  mit  der  Aufschrift  „Achtung,  Menschenrechte!“  aufgehängt.  Aber  diese  Werbung  ist  im  Prinzip  genau  wie  der  Nationale  Aktionsplan  selbst  nichts  als  eine  Imagekampagne.  Unver- bindliche Symbolpolitik!

Es ist doch kein Wunder, dass  sich Unternehmen nicht an den Nationalen Aktionsplan  halten, wenn die Bundesregierung selbst ihn nicht einmal  ernst nimmt. Sonst hätte sie doch längst einen Stufenplan  vorgelegt,  wie  sie  ihre  öffentliche  Beschaffung  endlich  menschenrechtskonform gestalten will.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr  Konzept  der  Unverbindlichkeit  ist  gescheitert.  Konzerne sind eben ökonomischen und nicht menschenrechtlichen  Interessen  unterworfen.  Sie  sind  im  Kapitalismus den Profiten verpflichtet und werden ihre Produktions-  und  Geschäftsmodelle  nicht  freiwillig  nach  den  Menschenrechten  ausrichten.  Darum  muss  der  Staat  mit  Regulierung,  Gesetzen  und  deren  effektiver  Durchsetzung Unternehmen dazu zwingen, sozial und ökologisch  zu handeln.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)  – Da können Sie sich ruhig aufregen. Ja, so ist es.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sonst  wird  es  eben  weitergehen,  dass  Konzerne  Menschenrechte auf der ganzen Welt brechen.

Ein aktuelles Beispiel: Bei der Beschaffung der Kleidung  ausgerechnet  für  die  Bundeswehr  wurden  massiv  Arbeiterinnen-  und Arbeiterrechte  verletzt.  In  einer  Zulieferfabrik in Tunesien wurden nachweislich Arbeiterinnen  und  Arbeiter  drangsaliert,  Gewerkschaftsrechte  be- schnitten und Dumpinglöhne gezahlt. Leider Normalität!

Und ja, die Bundesregierung – das gebe ich gern zu –  hat  punktuell  einige  Initiativen  im  Bereich  „nachhaltige  Beschaffung“ auf den Weg gebracht. Das musste sie aber  auch,  um  ihren  internationalen  Verpflichtungen  gerecht  zu  werden.  Es  gibt  aber  unglaublich  große  Unterschiede, wie soziale und ökologische Standards von Beschafferinnen  und  Beschaffern  deutschlandweit  eingehalten  werden.  Statt  vereinzelter  Nischenkonzepte  braucht  es  endlich ganzheitliche Ansätze, ganzheitliche Lösungsansätze, und zwar auf Bundesebene.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der  FDP: Weiter träumen!)

Sie  nehmen  ja  Verbraucherinnen  und  Verbraucher  immer gerne in die Verantwortung, nachhaltiger zu konsumieren.  Selbst  aber  schaffen  Sie  es  nicht,  soziale  und

ökologische  Kriterien  im  Einkauf  zu  beachten.  Ehrlich  gesagt, nicht sehr glaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die  Bundesregierung  müsste  wenigstens  eine  Vorreiterrolle  in  der  öffentlichen  Beschaffung  einnehmen.  Wir  als  Linke  wollen  Kriterien,  die  verbindlich,  messbar  und durchsetzbar sind. Wir wollen mehr Transparenz in  der  Beschaffung  und  eine  stärkere  zivilgesellschaftliche  Kontrolle. Wenn Konzerne die Menschenrechte missachten,  haben  sie  in  der  öffentlichen  Vergabe  nichts  mehr  verloren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke will eine grundlegende Reform der öffentlichen  Beschaffung,  die  verpflichtend  soziale,  ökologische  und  menschenrechtliche  Standards  zur  Grundlage  nimmt. Vielen Dank.