kleine Anfragen

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Castor-Transport von Sellafield nach Biblis im November 2020“ (Bundestagsdrucksache 19/26325)

Am 3. und 4. November 2020 fand ein Transport mit hochradioaktivem Atommüll von Sellafield in Großbritannien nach Biblis in Hessen statt. Dieser Atommülltransport mit 6 Castor-Behältern vom Typ HAW 28M war ursprünglich für April 2020 geplant, wurde aber kurz davor von der Bundesregierung aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Gleichwohl fand Anfang November 2020 der Castor-Transport während der zweiten Pandemie-Welle mit einer deutlich höheren Fallzahl an COVID-19-Erkrankungen als im Frühjahr statt. Das Land Niedersachsen und die Gewerkschaft der Polizei hatten aufgrund der Pandemie-Situation eine Absage des Transports gefordert.

Während die Bundesregierung im Lockdown uns allen starke Kontaktbeschränkungen abverlangte, lief der Castortransport, als gäbe es keine Pandemie. In ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage „Castor-Transport von Sellafield nach Biblis im November 2020“ (Bundestagsdrucksache 19/26325) antwortete die Bundesregierung, dass auf dem Höhepunkt der 2. Corona-Welle 11.000 Polizist*innen, davon 5.650 Bundespolizist*innen und 550 Polizeivollzugsbeamt*innen aufgeboten wurden, um den Castortransport zu schützen. Der Aufwand wurde wohl nicht betrieben, um ein paar Hundert Atomkraftgegner*innen abzuhalten, die von Norddeutschland bis Biblis friedlich demonstrierten gegen den Castor-Transport, sondern um der Gefahr eines Terroranschlages zu begegnen. Da stellt sich die Frage, ob ein Atommüll-Transport überhaupt noch zu verantworten ist.

Auf die Frage, warum der Castortransport auf dem bisherigen Höhepunkt der Corona-Pandemie mit teils über 20 000 Neuerkrankungen je Tag durchgeführt wurde, antwortet die Bundesregierung, dass die notwendige Beförderungsgenehmigung für sechs Behälter am 31. Dezember 2020 auslief und eine erneute Verschiebung des Transportes erhebliche genehmigungsrechtliche Folgen und im Vereinigten Königreich umfangreiche und hochkomplexe technische Verfahren zur Folge gehabt hätte. Michel Brandt hierzu: „Der Brexit lässt grüßen. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass der Schutz von Menschenleben Vorrang vor einem möglichen Mehraufwand für Genehmigungen hat.“

Auf die Frage nach dem Schutz der Einsatzkräfte vor COVID-19, antwortet die Bundesregierung, dass die Beamt*innen in Einzelzimmern untergebracht wurden und es eine Kohortenregelung mit max. 35 Polizeivollzugsbeamt*innen gab. Der Transport sollte mit max. 5 Personen pro Fahrzeug stattfinden. Michel Brandt dazu: „Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie am Bahnhof Biblis aus 9 Mannschaftsbussen mit jeweils ca. 30 Polizist*innen eng an eng aus den Bussen strömten, von der Einhaltung der AHA Regeln war da nichts zu sehen. Im Nachgang des Einsatzes wurden übrigens nur 195 Einsatzkräfte auf CoV-2 getestet, davon fielen 14 Tests positiv aus, also 7,2%. Hochgerechnet auf 11.000 Einsatzkräfte könnten sich also 790 Beamt*innen mit dem gefährlichen Virus angesteckt haben. Das ist unverantwortlich.“

Zu den Kosten der Unterbringung der Bundespolizei schreibt die Bundesregierung, die Bundespolizei habe für die Einsatzkräfte bei 236 Hotels insgesamt 6.876 Einzelzimmer gebucht. Der Bundespolizei entstanden für die Unterbringung der Einsatzkräfte Kosten in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro. Die einsatzbedingten Mehrkosten (Abgeltung Mehrarbeit, Erschwerniszulagen, Dienstreisen, Unterbringung, Verpflegung sowie Führungs- und Einsatzmittel) der Bundespolizei beliefen sich auf rund sieben Mio. Euro. Unter Einbeziehung der Beamt*innen der Länder dürften die Kosten damit insgesamt bei rund 14 Mio. Euro gelegen haben.

Auf die Frage warum während der Schiffspassage das Kollisionswarnsystem AIS des Castor-Transportschiffes ausgeschaltet war, gibt die Bundesregierung die unbefriedigende Antwort, dass es rechtlich möglich sei das AIS auszuschalten obwohl ein inaktives AIS dazu führt, dass andere Schiffe dieses Fahrzeug nicht über AIS sehen. Die Behörde könne Ausnahmen von der Pflicht, Meldungen über AIS abzugeben, erteilen. Michel Brandt hierzu: „Wäre es nicht geboten, bei einem Atommülltransport alle Sicherheitsmaßnahmen also auch die Nutzung des Kollisionswarnsystems AIS einzuschalten?“

Keine Antwort erhielten wir auf die Frage, auf welche völkerrechtlichen Vertragsverpflichtungen sich die Bundesregierung zur Rücknahme des Atommülls aus Sellafield nach Biblis bezieht. Diese völkerrechtlichen Vertragsverpflichtungen wurden im Vorfeld des Castor-Transport immer wieder von Bundesinnenminister Horst Seehofer gegenüber der Presse ins Spiel gebracht, aber nie belegt.

Die Termine für die noch ausstehenden Atommülltransporte nach Philippsburg aus La Hague sowie nach Isar und Brokdorf aus Sellafield, sind uns derzeit noch nicht bekannt. Ab Nov.2021 muss mit einem weiteren Castor-Transport gerechnet werden.

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