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Gerichtlich genehmigter Nazi-Aufmarsch mit verschwörungsideologischer Rückendeckung 

Am Samstag kamen in Leipzig mehr als 20.000 Menschen zusammen, vordergründig um gegen die Infektionsschutzmaßnahmen zu demonstrieren. Die Demo-Teilnehmer*innen setzten sich aus der inzwischen bekannten Mischung aus Corona-Leugner*innen, Verschwörungsgläubige, rechtsesoterische Alternative, NPD-Kadern, Nazi-Hooligans, AfD-Abgeordneten und neurechter Prominenz, zusammen. Obwohl des der sogenannten „Querdenker“-Bewegung vordergründig um Kritik an den Infektionsschutzmaßnahmen der Regierung und deren Folgen geht, finden Themen wie Ausbeutung von Arbeiter*innen in z.B. Landwirtschaft und Fleischindustrie unter Missachtung jeglichen Gesundheitsschutzes, pauschale Massenquarantäne für Menschen in überfüllten Flüchtlingslagern, der völlig überlastete Gesundheitssektor, kaputt gesparte Gesundheitsämter und die am Boden liegenden Veranstaltungs- und Gastronomiebranchen jedoch keine Erwähnungen am Redner*innenpult, geschweige denn das in der Corona-Krise stetig wachsende Vermögen der Superreichen bei gleichzeitigen Massenentlassungen und Milliarden-Staatshilfen. Vielmehr geht es auf den Demos um personalisierte und populistische Schuldzuweisungen, verkürzte Kapitalismuskritik, teilweise offen antisemitische Verschwörungserzählungen und Hetze gegen Medien und Journalist*innen. 

Die Verharmlosung und Leugnung der Corona-Pandemie als gemeinsamer Nenner der Demonstrierenden führen dann zur systematischen Missachtung jeglicher Auflagen. Während sich also das Personal von Krankenhäusern kaputt schuftet und sich die meisten Menschen in Solidarität miteinander üben, treffen sich in Leipzig tausende Menschen dicht an dicht und ohne Mund-Nasen-Bedeckung. Möglich gemacht wurde dieses potenzielle Superspreader-Event durch ein Urteil des OVG Bautzen. Ja, die Versammlungsfreiheit ist auch in Pandemiezeiten ein hohes Gut. Die Missachtung der notwendigen Auflagen aber erfolgte mit Ansage und war absolut erwartbar. Eine solche Veranstaltung zu genehmigen ist angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens mehr als nur fahrlässig. Zumal parallel selbst kleine Aktionen wie Stolperstein-Führungen mit Verweis auf Infektionsschutzgründe verboten werden. Die Entscheidung des OVG ist im Kontext betrachtet ein Skandal. 

Ebenso skandalös war das Verhalten der Polizei – oder besser Nichtverhalten. Seit Wochen warnen Beobachter*innen der rechtsextremen Szene vor einer massiven Mobilisierung nach Leipzig. Tatsächlich trafen dann schon am Morgen Berichten zufolge mindestens 200 Nazis aus dem Hooligan- und NPD-Umfeld ein. Doch während sich die Hools teilweise in Kampfmontur am Bahnhof trafen, war die Polizei damit beschäftigt, die Daten dutzender Presseverteter*innen „präventiv“ aufnehmen und zu kontrollieren. Im Laufe des Tages dann kam es aus der Demo heraus zu etlichen Angriffen und teils massiver Gewalt gegen Journalist*innen. Die Polizei versagte beim Schutz der Pressefreiheit auf ganzer Linie und war selbst an Schikane gegen Journalist*Innen – bis hin zur rechtswidrigen Drohung, es würde dafür gesorgt werden, dass der Presseausweis entzogen wird – beteiligt. Kaum überraschend, dass der Nazi-Mob am Nachmittag mühelos Polizeiketten durchbrechen, Pyrotechnik zünden, Polizei, Presse und Linke angreifen und durch die Stadt ziehen konnten, gefolgt von den euphorisierten Querdenkenden. 

Die Ereignisse sind ein erneuter Ausdruck unseres Polizeiproblems. Teil des Problems ist auch, dass die gewalttätigen Ausschreitungen und vor allem die vielen Angriffe auf Journalist*innen in der Pressekonferenz der Polizei und des sächsischen Innenministers Roland Wöller verschwiegen werden. Die Rede ist von einer „überwiegend friedlichen“ Versammlung. Ein Hohn für die Pressefreiheit und ein Hohn für die Journalist*innen, die Gewalt erfahren haben. Teil des Problems ist auch wieder einmal der Bundesinnenminister Seehofer, der die Polizei erneut bedingungslos in den Schutz nimmt, statt eine kritische Reflexion der Einsatzstrategie anzuregen. 

Das Vertrauen in eine auf diese Weise agierende Polizei ist für viele Menschen schon längst nicht mehr vorhanden. Im Dannenröder Forst sind wegen einiger friedlicher Umweltaktivist*innen mehrere tausend Polizeibeamt*innen im Einsatz, genau wie beim Castortransport, während marodierende Nazi-Banden angekündigt mühelos durch die Stadt ziehen und Journalist*innen verprügeln können? Wir sehen es klar und deutlich: Die Polizei schützt Kapitalinteressen und setzt Abschiebungen, Enteignung und Zwangsräumungen durch – sie schützt uns nicht vor Nazibanden, sie schützt nicht die Pressefreiheit, sie verhält sich stattdessen konsequent unehrlich und intransparent und erhält dabei die autoritär anmutende Rückendeckung von Landes- und Bundespolitik. 

Leipzig hat wieder gezeigt: Antifaschismus heißt Handarbeit! Die Polizei wird uns nicht helfen, wenn Nazis marschieren und morden. So war es 1993, so war es 2000-2007, so war es in Halle und so wird es auch zukünftig sein. Danke deshalb an alle Antifaschist*innen, die sich in Leipzig den Nazis und Verschwörungsgläubigen entgegengestellt haben. NO PASARAN.