Aktuelles,  Menschenrechts-Ausschuss

Frontex-Direktor Fabrice Leggeri im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Ich habe Leggeri im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe dazu befragt, warum die Einsätze in Griechenland, Ungarn und dem Mittelmeer bisher nicht wie in Art. 46 (4) der EU-Verordnung 2019/1896 vorgesehen aufgrund der umfangreich belegten Menschenrechtsverletzungen beendet wurden. Leggeri leugnete daraufhin Menschenrechtsverletzungen, übernimmt dabei weiterhin unkritisch und ungefiltert die Perspektive Griechenlands und nahm die griechische Regierung sogar für das Abfangen von Schiffen „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ in Schutz. Er sagte, wenn Griechenland sich aufgrund von Bedrohungen an seiner Außengrenze zum „Abfangen“ von Schiffen entscheide, sei das rechtmäßig. Frontex unternimmt nichts, um die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen durch die eigenen Grenzbeamten in der Ägäis sowie an anderen EU-Außengrenzen aufzuarbeiten. Leggeri betont dagegen mehrfach, dass es eine Diskussion um die Auslegung der Rechtsvorschriften brauche. Er zielt auf eine Rechtsbeugung und Erosion des See- und Völkerrechts ab, um das harte Vorgehen gegen Schutzsuchende zu rechtfertigen.

Außerdem habe ich danach gefragt, welche Konsequenzen Frontex aus dem EuGH-Urteil vom 17. Dezember 2020 zieht, welches besagt, dass Ungarn durch seine Asylpolitik sowie durch Pushbacks (50.000 seit 2016) nach Serbien gegen Unionsrecht verstößt. Leggeri kündigte daraufhin Konsequenzen an, blieb jedoch unkonkret und sagte, es bald käme mehr dazu. Am Mittwoch (13.01.2021) sei eine erste Rechtsanalyse zu Ungarn besprochen worden. In dem Zusammenhang gesteht Leggeri ein, dass Art. 46 der EU-Verordnung 2019/1896 eindeutig sei. Ansonsten kam wenig bis gar nichts zu den Vorwürfen, Frontex sei an der Verwicklung in illegale Pushbacks in Albanien, Ungarn, Kroatien und Griechenland beteiligt gewesen.

Zu meiner Frage, ob Leggeri das Abfangen von flüchtenden Menschen auf See und anschließende Pushbacks nach Libyen durch die sog. libysche Küstenwache als Menschenrechtsverletzung einstuft, stellte der die Zusammenarbeit von Frontex mit der sog. libyschen Küstenwache als alternativlos dar. Er sagte, die libysche Küstenwache sei zwar nicht durch Frontex eingesetzt, aber Frontex sei verpflichtet, ihnen bei Seenotfällen alle vorhandenen Informationen weiterzuleiten, damit sie eine „Rettung“ einleiten könnten. Leggeri vermied jegliche Aussagen über die Zustände in libyschen Folterlagern, die massiven Menschenrechtsverletzungen, Folter und Freiheitsentzug. Erst wird eine staatliche Seenotrettung der EU-Länder eingestellt, nun wird die Zusammenarbeit mit der sog. libyschen Küstenwache als alternativlos dargestellt. Dabei weiß Frontex genau, dass sie durch die Weitergabe von Überwachungsdaten an die sog. libysche Küstenwache aktiv dazu beiträgt, dass Menschen auf See abgefangen und zurück nach Libyen verschleppt werden, wo sie in der direkten Konsequenz europäischer Politik grauenhaften Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Zum Stand der verschleppten Einstellung von 40 Grundrechtsbeauftragten, die ursprünglich am 05.12.2020 eingestellt werden sollten, war Leggeris Antwort, dass mit Abschluss der Einstellungen im März/ April zu rechnen sei. Zur Frage, welche Kompetenzen, Abläufe und Sanktionsmöglichkeiten für die neuen Stellen vorgesehen sind, wie Transparenz gegenüber der Zivilgesellschaft hergestellt wird und inwiefern Möglichkeiten der externen Kontrolle vorgesehen sind, kam von Leggeri keine Antwort.

Des Weiteren sprach Leggeri in seinem Eingangsstatement und auch später wiederholt von „angeblichen illegalen Pushbacks“, er erkennt die nachgewiesenen Fälle also vehement nicht als illegal an. Das legt das verfehlte Rechtsverständnis des Direktors einer EU-Agentur offen. Dabei gibt Leggeri noch an, Frontex halte sich bei seinen Einsätzen an die Grundrechte Asylsuchender und habe auch vor, diese weiterhin zu fördern.

Eine Frage, die ich aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr stellen konnten, bezog sich auf die Frontex-Klage gegen FragDenStaat und hätte gelautet: „Warum verlangt Frontex 24.000 Euro von Journalist*innen und Aktivist*innen für Anwaltskosten? In Deutschland würde ein vergleichbares Verfahren 2500 Euro Gebühren kosten. Sollte Frontex nicht eine Gebührengrenze einführen?“ Wie wir wissen, verfügt Frontex über ein Milliardenbudget und ist damit die am besten ausgestattete EU-Agentur. Sie verfügt auch über eine gut ausgestattete interne Rechtsabteilung. Es ist auf EU-Ebene sehr ungewöhnlich, bei Auskunftsklagen private Anwälte zu beauftragen und diese Kosten dann von zivilgesellschaftlichen Organisationen einzufordern. Leider konnten wir diese Frage wie gesagt nicht mehr stellen.

Fazit: Die Antworten Leggeris sprechen für sich – Leggeri reagiert trotz Belastung durch zahlreiche Beweise und fundierte Recherchen ausschließlich mit Leugnung, massiver Intransparenz und teilweise bewiesenermaßen unwahrheitsgemäßen Aussagen. Die internen Mechanismen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen haben sich wiederholt als wirkungslos bewiesen, und trotzdem sperren sich er und seine Agentur weiterhin jeder externen und zivilgesellschaftlichen Kontrolle.

Frontex ist und bliebt ein Baustein der Festung Europa, ein zentrales Instrument der europäischen Abschottungspolitik gegenüber Menschen auf der Flucht, und genau dafür wurde es von der Politik eingesetzt. Frontex als Institution gehört aufgelöst. Wir wollen ein System, dass Menschenrechte achtet und das Recht auf Asyl wiederherstellt.