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Deutsche Flaggenstaatsverwaltung sieht keine Sicherheitsmängel bei deutschen Rettungsschiffen, die Blockade hält dennoch an – unterstützt vom Bundesinnenministerium

Deutsche Flaggenstaatsverwaltung sieht keine Sicherheitsmängel bei deutschen Rettungsschiffen, die Blockade hält dennoch an – unterstützt vom Bundesinnenministerium

Im Jahr 2020 hat das Projekt Missing Migrants 1.148 Todes- und Vermisstenfälle im zentralen Mittelmeer dokumentiert, auf der Atlantikroute zu den Kanarischen Inseln starben bis zum 18. Dezember 592 Menschen. Somit blieb die Außengrenze der EU auch 2020 die für flüchtende Menschen tödlichste Grenze der Welt. Solange sich die EU weigert, staatliche Seenotrettung durchzuführen, entscheidet die Arbeit ziviler Rettungsorganisationen über Leben und Tod vieler Menschen – 3.500 Personen wurden 2020 von NGOs aus Seenot gerettet. Trotzdem wurden die Organisationen das ganze Jahr über mit Schikane überzogen und immer wieder Schiffe festgesetzt. Ich habe mich deshalb in einer kleinen Anfrage zum Jahresende noch einmal nach der Blockade von Rettungsschiffen erkundigt.

In der Antwort auf die Anfrage betont das Auswärtige Amt, dass die unter deutscher Flagge fahrenden von italienischen Behörden festgesetzten Schiffe Sea-Watch 3, Sea-Watch 4 und Alan Kurdi nach Ansicht der Flaggenstaatsverwaltung „über alle erforderlichen Zeugnisse“ verfügen und „keine gravierenden Sicherheitsmängel“ bestehen. Die italienischen Behörden (er)findet dennoch immer neue angebliche technischen und betrieblichen Mängel. Gegen dieses offensichtlich politisch motivierte Vorgehen haben sowohl Sea-Eye als auch Sea-Watch wiederholt geklagt, einer der Fälle geht nun vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Anders als das Auswärtige Amt und die Flaggenstaatsverwaltung schließt sich das eigentlich nicht zuständige Bundesinnenministerium der Argumentation der italienischen Behörden an. Wie Ende Dezember bekannt wurde, bat Horst Seehofer schon im Mai das Bundesverkehrsministerium darum, den Rettungsschiffen durch strengere Vorschriften die Arbeit zu erschweren. Dabei brachte Seehofer die Befürchtung vor, die zivile Seenotrettung könne die „Beziehung zu wichtigen Partnern“ und „weichenstellende europäische Zukunftsprojekte“ gefährden – um die konkrete Gefährdung tausender Menschenleben macht er sich bekanntlich wenig Sorgen.

Auf die Frage, inwiefern sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der genannten Einschätzung der Flaggenstaatsverwaltung für die Freisetzung der Rettungsschiffe eingesetzt und eine vermittelnde Rolle eingenommen hat, bleibt die Antwort auffällig vage: „Die Dienststelle Schiffsicherheit steht in intensivem Kontakt mit den zuständigen italienischen Behörden. Zu den notwendigen Standards für private Seenotrettungsschiffe steht die Bundesregierung im Austausch mit der italienischen Regierung.“

Zusammengefasst setzt sich also ein Teil der Bundesregierung aktiv gegen zivile Seenotrettung ein, während die Einschätzung der verantwortlichen Behörden zwar abweichen, die diplomatischen Bemühungen des Auswärtigen Amtes aber offenbar gelinde gesagt zögerlich ausfallen. Vor Augen geführt, dass es um hunderte, ja tausende Menschenleben geht, ist das Verhalten der Bundesregierung ein Skandal. Würden über das Mittelmeer fliehende Menschen wie Menschen behandelt werden, müsste sich die Bundesregierung mit allen verfügbaren Mitteln für die Wiederaufnahme der seit Mare Nostrum ausgesetzten staatlichen Seenotrettung einsetzten – doch sie tut effektiv das Gegenteil.

Deshalb: Festung Europa einreißen! Seenotrettung JETZT.KA-19-24837-DIE LINKE_Zivile Rettungsschiffe