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Spiegel-Recherche: Frontex und die sogenannte libysche Küstenwache organisieren Push-Backs in Folterlager über WhatsApp

Bei mehreren Gelegenheiten habe ich das Bundesinnenministerium, das Auswärtige Amt und den Frontex-Direktor Leggeri im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe nach der Zusammenarbeit von Frontex und der sogenannten libyschen Küstenwache gefragt. Kein einziges Mal habe ich eine Antwort erhalten. Dabei liegt auf der Hand, dass die sogenannte libysche Küstenwache trotz enormer finanzieller, logistischer und organisatorischer Unterstützung durch die EU nach wie vor nicht in der Lage ist, in dem Umfang Menschen auf der Flucht abzufangen, wie sie es tut – dafür ist sie auf die Überwachungsdaten der EU angewiesen.

Eine aufwändige Recherche von Spiegel, Lighthouse Reports, Monitor und der französischen Zeitung Libération legt nun offen, wie weit die Zusammenarbeit von Frontex und der aus Milizen rekrutierte sogenannten Küstenwache wirklich geht. Und sie beweist, dass Frontex-Direktor den Kolleg*innen im Europaparlament wieder einmal ins Gesicht gelogen hat, als er allen Ernstes behauptete: „Frontex hat noch nie direkt mit der libyschen Küstenwache kooperiert“. Tatsächlich konnten die Journalist*innen im Jahr 2020 mindestens 20 Seenotfälle ausmachen, bei denen Frontex-Flugzeuge über Flüchtlingsbooten flogen, bevor wenig später die sogenannte libysche Küstenwache kam und die Menschen zurück in das Bürgerkriegsland verschleppte – teilweise tief aus der maltesischen Such- und Rettungszone heraus.

Expert*innen sind überzeugt, dass schon die offizielle Weitergabe von Überwachungsdaten an die sogenannte Seenotleitstelle (JRCC) in Libyen einen Bruch europäischen Rechts darstellt. Was die Journalist*innen nun aufgedeckt haben, geht aber noch einen großen Schritt weiter: Offenbar schicken Frontex-Beamt*innen die Koordinaten von Booten und andere Überwachungsdaten den Offiziere der sogenannten libyschen Küstenwache ganz lapidar auf WhatAapp.

So also organisieren die EU-Abschottungsagentur Push-Backs von Menschen in Folterlager, in denen sich selbst nach Ansicht der Bundesregierung schwere Menschenrechtsverletzungen ereignen. Wenig macht klarer, dass Menschenrechte für die EU bei der eigenen Migrationspolitik längst nicht mehr das Papier wert sind, auf das sie gedruckt sind.

 

Hier gehts zum Spiegel Artikel:

https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-wie-frontex-hilft-fluechtlinge-in-folterknaeste-zurueckzuschleppen-a-e80e275d-0002-0001-0000-000177330683