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Die Situation im zentralen Mittelmeer im November 2020

Im November 2020 hat sich die ohnehin schon katastrophale Situation im zentralen Mittelmeer noch einmal zugespitzt. Bei mehreren schweren Schiffsunglücken ertranken innerhalb weniger Tage dutzende Menschen, insgesamt sind im November 184 Todes- und Vermisstenfälle dokumentiert. Alarm Phone und Sea Watch gehen jedoch von einer sehr großen Dunkelziffer aus. Klar ist: Der November war im zentralen Mittelmeer der bisher tödlichste Monat des Jahres 2020. Keiner dieser Tode war unabwendbar!

Unterlassene Hilfeleistung und die Blockade derjenigen, die retten wollen, führen aktiv zum endlosen Sterben im Mittelmeer – seit Jahren, fast jeden Tag.

Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) wurden im November mindestens 1.742 Menschen vom Türsteher der EU, der sogenannten libyschen Küstenwache, auf See aufgegriffen und in Obdachlosigkeit und Folterlager nach Libyen zurückverschleppt. Das sind fast doppelt so viele wie im Oktober. 2020 kam es insgesamt 11.765 dieser EU-finanzierten „Pushbacks by proxy“, bereits jetzt eine Steigerung von 27% zum gesamten Jahr 2019. An der Situation in den libyschen Lagern hat sich derweil nichts geändert, weiterhin sind die Menschen dort Folter, Menschenhandel, Hunger, Krankheit und Mord ausgesetzt.

Nachdem im Oktober aufgrund der Blockade durch die italienischen Behörden kein einziges ziviles Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer aktiv sein konnte, brach die „Open Arms“ Anfang November wieder zu einer Mission auf. Bei drei Rettungen wurden 263 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Ein mit 120 Menschen völlig überfülltes Boot sackte direkt bei Ankunft der Open Arms in sich zusammen, ohne den Einsatz der Seenotretter*innen wären die 120 mit Sicherheit ertrunken. Für sechs Menschen kam die Hilfe an diesem Tag dennoch zu spät. Im November waren die nationalen Behörden sowie Frontex über viele Stunden über Boote in Seenot informiert, schritten jedoch nicht ein. Mindestens eines dieser Boote kenterte später. Die drei Überlebenden berichteten von tieffliegenden Flugzeugen, die sich zeitweise über ihnen befanden.

Auch wenn es kräftezehrend sein mag, wir dürfen nicht aufhören, für ein anderes Europa zu kämpfen! Mit jedem neuen Rettungsschiff, das in die Rettungszone aufbricht, wird Widerstand gegen diese Festung geleistet, jeder „sichere Hafen“ ist Vision einer solidarischeren Zukunft.